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Mit einer Chatbot-App gegen die Depression
Das Programm iCAN will jungen Menschen helfen, nach einem Klinikaufenthalt wegen Depressionen eine altersgerechte Nachsorge zu finden.
Wer so schwer an einer Depression erkrankt, dass er stationär behandelt werden muss, braucht danach Hilfe beim Übergang in den Alltag. Das bundesweite klinische Studienprojekt iCAN will junge Menschen dabei digital unterstützen. Auch die Kliniken für Psychiatrie und für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Nürnberg beteiligen sich. Es werden weiter Patientinnen und Patienten gesucht.
Das dreimonatige Programm iCAN – eine Abkürzung für „intelligente, Chatbot-assistierte ambulante Nachsorge“ – soll 13- bis 25-jährigen Menschen mit Depressionen helfen, mit Hilfe einer Smartphone-App nach einer Klinikbehandlung gut in den Alltag zurückzukehren. Die Wirksamkeit des iCAN-Programms wird noch bis Ende 2024 in einer deutschlandweiten randomisierten Kontrollstudie überprüft, an der auch das Klinikum Nürnberg beteiligt ist.
Hier haben die Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter bereits mehrere Patientinnen und Patienten ihrer Adoleszentenstation erfolgreich in das iCAN-Programm vermittelt. „Unser Eindruck ist, dass junge Erwachsene das Angebot gern annehmen. Es ist niedrigschwellig, und das Smartphone ist nun mal das geläufige Kommunikationsinstrument dieser Generation“, stellt der verantwortliche Oberarzt Dr. Michael Widder-König fest.
Versorgungslücken überbrücken
Der Psychiater sagt: „Ein Chatbot-Programm kann keine Psychotherapie nach den anerkannten zugelassenen Verfahren ersetzen. Aber es kann Versorgungslücken überbrücken, die wir auch in der Region Nürnberg im ambulanten Bereich sehen.“ Auch der anonyme Charakter der App entspreche der Lebenswirklichkeit der Betroffenen oft besser als herkömmliche Angebote. „Klassische Psychotherapie stellt für manche eine hohe Hürde oder nicht die passende Anspracheform dar.“ Altersgemäß wünschten sich junge Erwachsene trotz ihrer Erkrankung Unabhängigkeit. Dazu seien sie mit übergeordneten Themen wie Identitätssuche und der Ablösung vom Elternhaus beschäftigt, erklärt Dr. Widder-König.
Depressionen zählen weltweit zu den häufigsten und schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Deutschland sind rund sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. In schweren Fällen ist oft ein Klinikaufenthalt nötig. Nach der Entlassung ist eine zeitnahe ambulante Nachsorge von entscheidender Bedeutung für die Genesung.
Doch lange Wartezeiten auf Therapieplätze erschweren den Zugang. Auch zögern viele junge Betroffene aufgrund von Scham oder dem Wunsch, ihre Probleme selbst zu bewältigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier setzt das iCAN-Programm an: Junge Menschen mit Depressionen erhalten nach der Klinikzeit Zugang zur iCAN-App, mit der sie Übungen machen. Dabei werden sie von einem Chatbot unterstützt, der regelmäßig nach der Stimmung fragt und motiviert. Zudem erleichtert der in der iCAN-App eingebaute Navigator die Suche nach ambulanten Anlaufstellen. Zum Angebot zählen außerdem Telefongespräche mit Psychologinnen und Psychologen.
Universitäten, Kliniken, Krankenkassen und Verbände arbeiten zusammen
Die iCAN-Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Diplom-Psychologe Stefan Lüttke von der Universität Greifswald ist eine Kooperation von Expertinnen und Experten für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, auch der Lehrstuhl für Gesundheit und Prävention der Universität Greifswald ist beteiligt.
Bislang haben an der Studie 160 Patientinnen und Patienten teilgenommen. Erste Ergebnisse zeigen, dass das iCAN-Programm sehr gut angenommen wird und die Betroffenen nach der Klinikzeit gut unterstützen kann. An dem Projekt sind die Unternehmen mentalis GmbH und 100 Worte Sprachanalyse GmbH sowie zahlreiche Krankenkassen beteiligt. Unterstützt wird das Projekt von 32 Kliniken in Deutschland sowie von Berufs- und Fachverbänden, der Bundespsychotherapeutenkammer und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.
An iCAN können weiterhin Patienten zwischen 13 und 25 Jahren teilnehmen, die wegen Depressionen in einer der teilnehmenden Kliniken oder Tageskliniken behandelt werden, ein Smartphone besitzen und bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Die Anmeldung erfolgt direkt in den teilnehmenden Kliniken beim Klinikpersonal. Weitere Informationen auf der Webseite: ican-studie.de
Bild: Dank Smartphone weniger allein: Mit Illustrationen wie diesen macht das iCAN-Projekt auf sich aufmerksam.
Foto: Universität Greifswald