Notfallservice
  • Kunsttherapie hilft Frauen nach einer Fehlgeburt

    Eine Studie des Klinikums Nürnberg und der PMU zeigt, wie heilsam Kunsttherapie für Frauen nach einer Fehl- oder Totgeburt sein kann.

03.03.2025

Frauen, die ein ungeborenes Kind verlieren, verarbeiten das einschneidende Lebensereignis besser, wenn sie dazu professionelle Kunsttherapie nutzen. Eine Studie des Klinikums Nürnberg und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) zeigt, dass posttraumatischer Stress durch die Therapie messbar abnimmt.

Ein Kind während der Schwangerschaft zu verlieren, trifft Frauen hart. Trauer, Schmerz und Ohnmachtsgefühle können sie und ihre Partner stark belasten. Über vier Jahre untersuchte das Klinikum Nürnberg im Forschungsprojekt „MALT!“ die Effekte einer speziellen Maltherapie auf Betroffene. Die Staedtler-Stiftung förderte „MALT!“ mit 460.000 Euro.

Die randomisierte Studie der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie arbeitete mit insgesamt 48 Frauen zwischen 18 und 50 Jahren. Die meisten hatten eine Fehl- oder Totgeburt erlitten, einige einen Unfall. Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen litt an Depressionen, ein Viertel unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine Studiengruppe erhielt am Klinikum Nürnberg wöchentliche Kunsttherapie über einen Zeitraum von fünf bis acht Wochen. Die Vergleichsgruppe wurde nur beobachtet.

Stressmarker gingen nachweislich zurück

Das am Klinikum entwickelte kunsttherapeutische Konzept für Traumafolgestörungen fördert die Reflexion und den Ausdruck von Gefühlen, um das Empfinden von Selbstwirksamkeit zu stärken. Die Frauen setzten das Erlebte in verschiedenen Bildern und Maltechniken visuell um. Vor, während und nach der Therapie wurden Stressmarker im Blut und Speichel gemessen. Die Auswertung zeigte, dass die Kunsttherapie posttraumatische Symptome reduzierte, wie zum Beispiel ungewollte Erinnerungen, Übererregung und Vermeidungsverhalten. Besonders psychisch bereits belastete Frauen profitierten von der Therapie. Ihre Stressmarker reagierten in den Tests entspannter, Blutdruck und Herzfrequenz stiegen weniger stark.

Für Univ.-Prof. Dr. Christiane Waller, Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, bestätigen die Messergebnisse die Potenziale ihres Fachgebiets. „Wir wussten um die Wirkung kunsttherapeutischer Verfahren, aber nur auf der Basis von Beschreibungen und ohne die genauen Mechanismen zu kennen. Jetzt können wir zum ersten Mal die psychische und körperliche Reaktion biologisch messen. ,MALT!‘ zeigt, dass die psychosomatische Medizin mindestens so wirksam ist wie ein Medikament. Und sie wirkt dort, wo ein Medikament nicht hinkommt.“

Bedarf an ambulanten Angeboten

Die Klinik für Frauenheilkunde rekrutierte die meisten Teilnehmerinnen. Chefärztin Univ.-Prof. Dr. Cosima Brucker sieht in den Daten einen klaren Bedarf an Hilfsangeboten. „Es wäre sinnvoll und wertvoll, betroffenen Frauen Kunsttherapie anzubieten, um den Leidensdruck eines solch einschneidenden Lebensereignisses frühzeitig zu lindern.“ Das Gesundheitssystem finanziert bisher keine ambulante Kunsttherapie. Wegen fehlender Daten gibt es nach frühem Schwangerschaftsverlust auch keine Leitlinienempfehlung zu bestimmten psychologischen Hilfen. Am Klinikum Nürnberg erhalten Patientinnen bei Bedarf psychosomatische Unterstützung.

Studien zeigen, dass 20 bis 30 Prozent der Frauen nach einer Fehl- oder Totgeburt Anzeichen von Depressionen oder Angststörungen entwickeln. Eine Fehlgeburt tritt vor der 24. Schwangerschaftswoche auf, danach spricht man von einer Totgeburt. Zwischen zehn und 30 Prozent aller erfassten Schwanger­schaften enden mit einer Fehlgeburt. Gesellschaftlich ist das Thema immer noch tabubehaftet.

Wilhelm Wessels, Vorstandsvorsitzender der Staedtler-Stiftung, sieht in der hohen Unterstützung für „MALT!“ eine lohnende Förderung auf einem besonderen Feld. „Diese Studie zeigt eine weltweit beispiellose Innovationshöhe durch herausragende wissenschaftliche Arbeit. Wir freuen uns, die wissenschaftliche Forschung zur Entwicklung der Kunsttherapie unterstützen zu können.“

Fotos: Klinikum Nürnberg

/news/kunsttherapie-hilft-frauen-nach-einer-fehlgeburt/