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  • Klinikum Nürnberg führt neuen Herzklappen-Ersatz ein

    Neue Perspektive für schwer Herzkranke: Die Kardiologie des Klinikums Nürnberg kann jetzt auch die Trikuspidalklappe minimalinvasiv ersetzen.

10.06.2025

Seit Kurzem können die Kardiologen im Klinikum Nürnberg auch die Trikuspidalklappe im Herzen ersetzen. Die schwer erkrankten und meist hochbetagten Patientinnen und Patienten gewinnen damit eine neue Therapiemöglichkeit.

Die Herzklappen, die den Blutfluss ausleiten (Pulmonal- und Aortenklappe), können bereits seit zwei Jahrzehnten mit Herzkatheter-Technik komplett ersetzt werden. Im Gegensatz dazu gab es für die Herzklappen, die den Blutfluss aus dem Vorhof in die Herzkammer leiten (Mitral- und Trikuspidalklappe), über den Herzkatheter Reparaturverfahren mit einem Clip, mit dem aber nicht allen Patientinnen und Patienten geholfen werden konnte. Für diese Gruppe bietet die neu entwickelte Prothesen-Generation jetzt eine weitere therapeutische Option.

Insbesondere die einmündende Klappe im rechten Herzen (Trikuspidalklappe) galt lange als medizinisches Stiefkind. Dabei wirkt sich gerade eine Schwäche dieser Herzklappe stark auf die Patientinnen und Patienten aus: Verliert die Klappe, die den rechten Vorhof von der rechten Herzkammer trennt, an Dichtigkeit, staut sich das Blut zurück in den Körperkreislauf. Die Folge sind Symptome wie massive Wassereinlagerungen in den Beinen und im Bauch, Erschöpfung, Atemnot sowie Funktionsstörungen von Leber und Nieren.

Prothese dichtet die Herzklappe wieder ab

„Die Lebenserwartung der Betroffenen sinkt dramatisch – durchaus vergleichbar mit schweren Tumorerkrankungen. Bisher blieb uns meist nur die Gabe von Medikamenten zur Entwässerung, weil ein chirurgischer Eingriff bei den Patientinnen und Patienten, die zumeist in hohem Alter sind oder unter schweren Begleiterkrankungen leiden, ein zu hohes Risiko mit sich brachte“, sagt Dr. Jürgen Jessl, leitender Oberarzt und Kardiologe am Herz-Gefäß-Zentrum des Klinikums Nürnberg.

Für den Einsatz der Prothese für die Trikuspidalklappe sind umfangreiche Vorbereitungen nötig: Zunächst muss dafür die genaue Ursache und Art der Undichtigkeit der Herzklappe mittels Ultraschalluntersuchung über die Speiseröhre geklärt werden. Neben der Bestimmung weiterer Parameter des Herzens beim Herzkatheter wie Druckverhältnisse und Gefäßstatus wird die Anatomie vorher mit einer hochauflösenden CT-Aufnahme exakt vermessen und der Eingriff am Computer im Voraus geplant. Dabei wird die genaue Position des Klappenersatzes bestimmt.

Der etwa einstündige Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt. Lediglich ein minimaler Schnitt in der Leiste ist nötig. Die zusammengefaltete Prothese für die Trikuspidalklappe wird nach Punktion der Vene in der Leiste über die große Hohlvene bis ins rechte Herz vorgeschoben. Dort entfaltet das Team schrittweise unter Ultraschallsicht die Prothese präzise in den Segeln der originalen Klappe. Mit dieser Prothese kann die komplette Dichtigkeit der Trikuspidalklappe wiedererlangt werden. Nach dem Eingriff wird der wache Patient noch am Monitor überwacht und muss insgesamt etwa eine Woche Klinikaufenthalt einplanen.

Nur spezialisierte Kliniken dürfen den Eingriff durchführen

Nur spezialisierte Zentren mit langjähriger Erfahrung in der interventionellen Klappentherapie dürfen diesen Eingriff überhaupt durchführen. Die Klinik für Innere Medizin 8, Schwerpunkt Kardiologie und Rhythmologie, am Klinikum Nürnberg gehört zu den elf zertifizierten Mitralklappenzentren in Bayern. Nur etwa die Hälfte von ihnen hat für den Fall von Komplikationen während dieses Eingriffes eine herzchirurgische Abteilung unmittelbar im eigenen Hause – eine Voraussetzung für diesen Eingriff.

„Unser Team hat sich ein Dreivierteljahr auf diesen neuen Eingriff vorbereitet und gehört jetzt mit zu den ersten Kliniken in Bayern, die damit Patienten helfen können“, berichtet Chefarzt Univ.-Prof. Dr. Matthias Pauschinger. „Von der Bildgebung über die interventionelle Technik bis hin zur Nachsorge ist dieser Eingriff hochkomplex und stellt hohe Anforderungen an unsere Spezialistinnen und Spezialisten. Ich danke der Herzchirurgie, Gefäßchirurgie und Anästhesiologie sowie Radiologie für die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit im Herz-Gefäß-Zentrum, ohne die eine solche innovative Behandlung nicht möglich wäre. Dieser patientenschonende Eingriff stellt einen echten Meilenstein dar.“

Sorgfältige Vorauswahl der Patienten nötig

Die Entwicklung des aus Rindergewebe und Metall bestehenden Ersatzes für die Trikuspidalklappe hat wegen ihrer besonderen Anatomie länger gedauert als bei anderen Herzklappen. Im Gegensatz zur Aortenklappe, einer Auslassklappe, muss sie beim Herzschlag nicht nur passiv aufgehen, sondern auch dem Rückstoß standhalten und dicht schließen – ähnlich einem Fallschirm, der gegen den Druck gespannt wird. Anders als eine Mitralklappe besteht sie meist aus mindestens drei Segeln und die Funktionalität ist stark von der Geometrie der rechten Herzkammer abhängig. Diese Kammer kann sich bei Herzschwäche massiv vergrößern – so weit, dass die ursprüngliche Klappe nicht mehr vollständig schließen kann. Die Folge: Blut fließt bei jedem Herzschlag zurück in den Körperkreislauf.

„Wegen dieser Voraussetzungen ist eine äußerst sorgfältige Auswahl der Patientinnen und Patienten nötig. Das rechte Herz muss – trotz schwerer Klappenschädigung – noch eine gute Leistungsfähigkeit besitzen, da es die umgehend wieder erworbene Dichtigkeit nach der Implantation der Herzklappenprothese aushalten muss“, erklärt Jessl. Erst dann zeigt sich der Vorteil der Prothese mit Verbesserung der Lebensqualität, Rückgang der Atemnot, Steigerung der Belastbarkeit und Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse sowie der Leber- und Nierenfunktion.

Bild oben: Dr. Jürgen Jessl demonstriert die Lage der Trikuspidalklappe an einem Modell.

Bild unten: Das Team für Atrioventrikularklappen-Eingriffe um Chefarzt Univ.-Prof. Dr. Matthias Pauschinger (2. v. li.) und den leitenden Oberarzt Dr. Jürgen Jessl (3. v. li.) im Herz-Gefäß-Zentrum des Klinikums hat den ersten Trikuspidalklappen-Ersatz in Nürnberg eingesetzt.

Fotos: Klinikum Nürnberg

Pressemitteilung zum Herunterladen (PDF)

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