Man spricht von einer pathologischen Mediennutzung, wenn die Betroffenen die Kontrolle über die Nutzung verlieren und dadurch ihr Alltag beeinträchtigt ist. Typisch ist der Konsumdrang, auch bekannt als „craving“. Die Kinder gewöhnen sich an die Nutzungszeiten und wollen immer noch mehr konsumieren, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Wird den Betroffenen die Nutzung verweigert, leiden sie unter Entzugssymptomen, fühlen sich innerlich leer, sind nervös oder gereizt. Die Jugendlichen richten ihren Alltag nach der Sucht aus und vernachlässigen oftmals ihre Hobbys oder Freundschaften. Häufig verschlechtern sich die schulischen Leistungen, da Lernzeiten den Spielzeiten zum Opfer fallen. Oft leiden sie unter Schlafproblemen und haben somit weniger Energie.
Eine zentrale Rolle spielen schnelle und hochfrequente Erfolgserlebnisse im virtuellen Raum, während vergleichbare Erfahrungen im Alltag nur mit mehr Aufwand möglich sind. Die Aufmerksamkeit verlagert sich dann schrittweise in die digitale Welt. Bestimmte Charakteristika und Vorbelastungen verstärken diese Entwicklung, indem sich beispielsweise ängstliche oder depressive Kinder schneller zurückziehen.
Laut einer aktuelleren Studie sind im Gaming-Bereich Jungen am stärksten betroffen. Bei den Social-Media-Kanälen gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Kleinkinder, die Medien und Inhalte ohne elterliche Aufsicht konsumieren, sind am stärksten gefährdet, denn sie können ihren Konsum nicht selbst steuern.
Viele Haushalte sind aufgrund des Homeschoolings digital besser ausgestattet. Die Forschung belegt, dass die mediale Ausstattung zu Hause fast immer mit längeren Mediennutzungszeiten einhergeht. Kinder, die am PC Hausaufgaben machen, klicken auch schnell mal in die sozialen Medien. Die Kontaktbeschränkungen wirken potenziell wie ein Katalysator und beschleunigen diesen Prozess. Oft wurden Bildschirmaktivitäten als einzige Alternative zu den Kontaktbeschränkungen wahrgenommen.
Wir haben ein weiteres Gruppentherapieangebot speziell zur Mediennutzung in unserer Tagesklinik aufgenommen. Es richtet sich nicht nur an abhängige Betroffene, auch Jugendliche mit riskantem Nutzungsverhalten können daran teilnehmen. Die Jugendlichen können untereinander von den Erfahrungen lernen und sich austauschen. Wir binden die Eltern eng in die Therapie mit ein. Ziel ist unter anderem, neue Handlungsspielräume für die Kinder und Jugendlichen zu erschließen, indem wir körperliche und soziale Aktivitäten fördern. Dieses Angebot verstärkt unsere Gesamttherapie um einen wichtigen Baustein.
Problematisch wird es, wenn Kinder im Vorschulalter Medienangebote konsumieren, die ihnen wenig Aktivität und Bewegung bieten. Studien zeigen, dass eine übermäßige Nutzung passiver Bildschirmmedien negative Effekte auf die Entwicklungen in motorischen, sprachlichen und kognitiven Funktionsbereichen haben kann. Ganz aktuell: Augenärzte melden vermehrte Kurzsichtigkeit bei Kindern mit verstärkter Mediennutzung.
Je früher eine Sucht beginnt, desto schlechter ist die Prognose. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, neben der Sucht eine weitere psychische Erkrankung zu entwickeln, sehr hoch. Tatsache ist, dass die Computerspielabhängigkeit mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergeht.
Wenn Ihr Kind bestreitet, dass die Medien einen großen Einfluss auf sein Leben haben, ist eine erste Beratung auch ohne das betroffene Kind möglich.
Für Fragen, Informationen und Hilfsangebote stehen wir jederzeit und ohne lange Anmeldezeiten zur Verfügung:
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