Kathrin O.
Junge Erwachsene stellen mit Anfang 20 viele Weichen für den weiteren Lebensweg. Kathrin O. war 22 Jahre alt und hatte das klare Ziel vor Augen, ihren Masterabschluss in Psychologie zu beenden. Doch dann war plötzlich von einer Chemotherapie die Rede. Im Jahr 2022 stuften die Ärzte ihre Nasennebenhöhlenentzündung als Folge eines gewöhnlichen Schnupfens ein. Erst als die erhöhte Dosis Antibiotika nicht anschlug, wies die Hausärztin sie ins Krankenhaus ein. Es folgten einige stationäre Aufenthalte, ein Hörsturz und Husten mit blutigem Auswurf. „Zu diesem Zeitpunkt bin ich gekrochen wie eine Schnecke, so schlecht habe ich Luft bekommen“, erinnert sich Kathrin O. zurück. Mit Hilfe eines Antikörpertests und einer Gewebeprobe stellte das Ärzteteam die Diagnose der chronischen Rheumaerkrankung. Die Studentin leidet unter einer sogenannten Granulomatose mit Polyangiitis, kurz GPA. Bei dieser Gefäßerkrankung können sich kleine bis mittlere Blutgefäße und Gewebe in der Nase, den Nasennebenhöhlen, im Hals, in der Lunge oder in den Nieren entzünden. Da die Infusionen mit einem biologischen Arzneimittel nicht halfen, entschieden sich die Ärzte für eine im Vergleich zu Krebspatienten milde Chemotherapie. Da die junge Patientin zu diesem Zeitpunkt noch keine Antwort auf die Frage nach einem Kinderwunsch hatte, entschloss sie sich vorsorglich, Eizellen entnehmen zu lassen. „Ich wollte mir einfach noch mehr Zeit mit meiner Kinderplanung lassen“, sagt die heute 25-Jährige. Jetzt weiß Kathrin O., dass beispielsweise auch Nachtschweiß ein Indiz für einen erneuten Rheuma-Schub ist. Einmal die Woche spritzt sie sich ein Immunsuppressivum, um die überschießende Immunreaktion zu lindern. Nach einem krankheitsbedingten Urlaubssemester konzentriert sich Kathrin O. auf ihr neues Ziel: „Ich möchte ein Praktikum in der Neuropsychologie absolvieren.
Linda D.
Wer eine Diagnose mitgeteilt bekommt, erlebt das oft als schwarzen Tag. Linda Dotterweich steht ihrer Rheuma-Erkrankung ab Tag eins unbeeindruckt gegenüber, manchmal hilft ihr sogar eine Prise Humor. Im Jahr 2020 ging die damals 23-Jährige aufgrund eines ausgerenkten Wirbels zu einem Physiotherapeuten. Im Folgetermin beklagte die junge Frau Schmerzen im Kiefer und im geschwollenen Knie, das sie anfangs noch humorvoll als faltenfrei bezeichnete. Die Schmerzen gingen jedoch im Körper auf Wanderschaft. „Ich konnte beim Autofahren keine Pedale mehr drücken“, erinnert sich die Verwaltungsfachangestellte zurück. Als der Orthopäde die Flüssigkeit im Knie entzog, brach sie in Tränen aus. Der Arzt schöpfte Verdacht und schickt sie in die Rheumatologie. Bereits einen Monat später gaben die Untersuchungen Klarheit: Linda Dotterweich leidet an einer rheumatoiden Arthritis. Die chronische Erkrankung ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Schon wenige Wochen nach den Symptomen konnte der Patientin geholfen werden. Zu Beginn linderten Cortison-Tabletten die Entzündungen in den Gelenken. Heute spritzt sich Linda Dotterweich alle zwei Wochen ein Medikament, ein sogenanntes Biologikum, in den Bauch. „Das erste Mal, dass es von Vorteil ist, dass ich nicht nur Haut und Knochen bin“, scherzt die Frohnatur heute. Regelmäßig behandelt der Physiotherapeut den leicht schmerzenden Kiefer. Seit einigen Jahren lebt die mittlerweile 28-Jährige schon mit der Diagnose rheumatoide Arthritis. „Wenn man so möchte, haben meine Erkrankung und ich fünfjähriges Bestehen, für mich ist das kein Weltuntergang“, fasst sie zusammen. Im Mittelpunkt möchte sie mit ihrer Erkrankung nicht stehen. Sie wünscht sich mehr Bewusstsein dafür, dass auch junge Menschen davon betroffen sein können.
Jennifer S.
Als Jennifer S. vom 1. FCN als Nachwuchs-Fußballspielerin entdeckt wurde, ging für sie ein Traum in Erfüllung. Bei der medizinischen Voruntersuchung dann der Schock: Die damals 14-Jährige wurde wegen vergangener Knieverletzungen abgelehnt. Aus Frust gab sie ihr Hobby vollständig auf. Immer wieder quälten Knieschmerzen die Technische Zeichnerin in ihrem Alltag. 2023 fiel sie, inzwischen zweifache Mutter, bei den Weihnachtsvorbereitungen auf ihr rechtes Knie und musste operiert werden. Nach dem Eingriff war die Wunde zwar unauffällig, Jennifer S. hatte allerdings 40 Grad Fieber und bemerkte Schuppen am Körper. „Ich konnte die Schmerzen nicht in Worte fassen“, fasst sie zusammen. Die erhöhten Entzündungswerte waren ein Indiz, dass ein Infekt im Körper wütete. Im Krankenhaus spülten die Ärzte sofort das Knie. Wochen später quälten sie allerdings Schmerzen am linken Knie. Schmerzmittel nahm sie mittlerweile wie Bonbons ein. Dann an einem Sonntagmorgen fuhr sie aus Verzweiflung erneut ins Krankenhaus. Doch die Untersuchungen blieben ohne Ergebnis. In den folgenden Monaten suchte Jennifer S. viele Ärzte und Krankenhäuser auf, oft fühlte sie sich nicht ernst genommen. Schließlich diagnostizierte ein Hautarzt eine sogenannte Psoriasis, auch bekannt als Schuppenflechte. Bei der Autoimmunerkrankung kämpft das Immunsystem gegen die körpereigenen Zellen und verursacht Entzündungen. Oft verläuft die Erkrankung in Schüben. Bei manchen Patienten greifen die Entzündungen der Haut auch auf die Gelenke über, so auch bei Jennifer S. Schließlich stellte das Ärzteteam des Klinikums Nürnberg Psoriasis-Arthritis fest. Heute ist Jennifer S. 37 Jahre alt. Sie spritzt sich regelmäßig ein Immunsuppressivum, das die überschießende Funktion der Immunzellen einschränkt. Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie sich einen Wohnwagen angeschafft und genießt die kleinen Auszeiten am Wochenende. „Ich bin dankbar für meine Familie und mein Umfeld und zugleich stolz, dass wir das gemeinsam gemeistert haben“, so Jennifer S.
Andreas R.
An zahllosen Tagen seines Lebens wollte Andreas Ruth laut schreien vor Schmerzen. Sie steckten ihm in allen Knochen, dumpf und spitz zugleich. Im Gehen, im Stehen, im Auto wie im Bett – auch Schmerzmittel linderten es nicht. Am meisten half noch, sich in eine kochend heiße Badewanne zu legen. „Ich war am Verzweifeln. Ich hatte keine Lust mehr. Ich war kurz davor, Drogen zu nehmen.“ Der Wahl-Nürnberger litt an diesen Zuständen, seit er ein junger Mann war. Doch es sollte mehr als 30 Jahre dauern, bis er die Erklärung dafür erfuhr: Morbus Bechterew (Axiale Spondyloarthritis), eine chronisch entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule und weiterer Gelenke. Bis dahin hatten Ärzte die Beschwerden abgetan oder auf kaputte Bandscheiben zurückgeführt, weil der Bautechniker früher als Maurer auf dem Bau gearbeitet hatte. Seit Andreas Ruth vor sechs Jahren die Diagnose und endlich die passende Therapie erhielt, führt er „ein Leben 2.0“, wie er sagt. Die entzündungshemmenden Injektionen nennt er „Zauberwasser“. Seine Krankheitsschübe kommen damit seltener und verlaufen viel milder. Dem Rheumatologen des Klinikums Nürnberg, der ihn seitdem betreut, würde der 58-Jährige „bis nach Timbuktu hinterherreisen“. Endlich fühlt er sich verstanden. Der Projektleiter und Bausachverständige hat wieder so viel Freude am Leben gefunden, dass er sich einen Traum erfüllte und den Motorrad-Führerschein machte. Dass seine Leidensgeschichte bei „Comic meets Rheuma“ Gehör fand, bewegt ihn tief. Seine Botschaft an alle Menschen in seiner Lage: „Gebt nicht auf! Lasst euch eure Beschwerden nicht ausreden, beschreibt sie genau! Haltet durch, bis ihr den richtigen Arzt findet!
Jasmin H.
Jasmin Huynh kennt viele Aufzüge. In Gebäuden sucht sie immer zuerst nach dem Lift. Das liegt an ihrer Krankheit. Die junge Frau leidet an Lungenhochdruck und darf sich nicht anstrengen. Betroffene kommen bei geringer Belastung aus der Puste, weil der Sauerstoff knapp wird. Atemnot bis zur Ohnmacht, Schwindel und schnelle Erschöpfung sind typische Symptome. „Wenn ich die Treppe nehme, muss ich in jeder Etage pausieren“, erzählt sie. „Ich kann ohne Hilfe keine Einkäufe tragen, muss beim Sport strikt meinen Puls im Blick behalten.“ Der Lungenhochdruck ist bei Jasmin Huynh Folge einer seltenen rheumatischen Erkrankung, der Mischkollagenose. Als Studentin erhielt sie die Diagnose über diese und weitere Autoimmunerkrankungen – sie war erleichtert, von nun an Ursachen für ihre rätselhaften Beschwerden zu kennen. Mit Tabletten und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen kann sie die Probleme in Schach halten. Die Softwareentwicklerin aus Nürnberg arbeitet heute bei einem IT-Dienstleister. In ihrer Freizeit liebt sie es, zu kochen, Cafés und Lokale zu entdecken. Im Alltag hat die 28-Jährige gelernt, gewissermaßen mit angezogener Handbremse zu leben. Hinter der Familienplanung steht wegen der Therapien ein Fragezeichen. Und trotzdem hadert Jasmin Huynh nicht mit ihrer Lage. Sie findet: „Ich kann mich glücklich schätzen, dass meine Erkrankung so früh erkannt wurde und bisher mild verläuft. Die Medikamente wirken. Es geht mir mit meinen Einschränkungen gut, und alles hat im Nachhinein Sinn ergeben.“ Wenn sich Jasmin Huynh für chronisch kranke Menschen von ihrer Umwelt etwas wünschen dürfte, wäre es mehr Einfühlungsvermögen. „Offenheit und Empathie sind wichtig. Weil man von außen niemandem ansieht, womit er oder sie zu kämpfen hat.
Simone M.
Wenn ein Schub kommt, kann Simone Martin keine Wasserflasche aufschrauben und kein Brot schmieren. Sie braucht für den Weg vom Bett zum Bad eine Ewigkeit. Jeder Schritt schmerzt. Wenn der Schub kommt, ist das Leben ein Kampf, und niemand da draußen sieht es. Die Versicherungskauffrau aus dem Raum Nürnberg hat chronische Polyarthritis, eine häufige Rheuma-Form. Alles begann mit Schmerzen in der Schulter und im Knie. Mal kamen Abgeschlagenheit und Erschöpfung dazu, mal Halsschmerzen. Wie viele Betroffene pilgerte Simone Martin lange von Arztpraxis zu Arztpraxis. Fünf Jahre dauerte die Fahndung nach der Ursache für ihre Gesundheitsprobleme, die zunächst nicht im Zusammenhang zu stehen schienen. „Ich wollte es nicht wahrhaben, es hat mir Angst gemacht“, erinnert sich Simone Martin an den Moment der Diagnose im Jahr 2017. Sie habe nun mal eine blühende Fantasie, sagt die 46-Jährige. Beim Gedanken an Rheuma hat sie manchmal ein außerirdisches Wesen vor Augen, das Besitz von einem ergreift. Das Leben mit der Erkrankung empfindet sie als Kraftakt. Nicht allen Mitmenschen ist das einfach zu vermitteln. „Ohne fremde Hilfe hätte ich es nicht geschafft.“ Die Behandlung mit Immunsuppressiva schlägt bei Simone Martin gut an. Trotz mancher Rückschläge durch Nebenwirkungen: „Ich habe wieder Lebensqualität gewonnen.“ Und es gibt einen Ort, an dem alles leicht wird: das Meer. In der Stille und Weite der Nordsee kann sie abschalten und Energie tanken. „Ich brauche mehr Ruhepausen als Gesunde. Ich musste lernen, das zu akzeptieren, meinen Weg zu finden und meine Grenzen zu achten.