Notfallservice
  • Der damals 5-jährige Giovanni spielt in der Kinderklinik. Er hat ein großes Pflaster am Kopf.

    Patientengeschichte

    "Dann ist er einfach umgefallen"

    Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche

"Dann ist er einfach umgefallen"

Der 19. Juni war ein schicksalsschwerer Tag im Leben der Familie Corteggiano. Der damals 5-jährige Giovanni klagte erst über einen eingeschlafenen Arm, kurz darauf kam ein Bein dazu. Als Mama Daniela ihn aufforderte, aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen, um die Taubheit zu vertreiben, fiel er einfach hin. Die Ursache: ein Schlaganfall.

Bis diese Diagnose stand, vergingen im Fall von Giovanni nur wenige Stunden. In der Kinder-Notaufnahme im Klinikum Nürnberg kamen sofort die Spezialisten aus Neuropädiatrie, Kinder-Radiologie und Neuro-Radiologie zusammen, um die Ursache für die inzwischen halbseitige Lähmung des Kleinen zu finden. Der Verdacht Schlaganfall war schnell gestellt. MRT und Angiographie bestätigten diesen Verdacht. Nur zwei Stunden nach Giovannis Einlieferung begannen die Ärztinnen und Ärzte mit der Therapie. Diese Schnelligkeit war für den kleinen Patienten wichtig. Denn „time is brain“, wie Neuropädiaterin Dr. Nicole Heußinger sagt. Das heißt im Klartext: Je früher eine präzise Diagnose gestellt und mit der Therapie begonnen wird, desto geringer ist die Gefahr bleibender Schäden.

Giovanni wurde mit blutverdünnenden und blutdruckstabilisierenden Medikamenten behandelt. Doch noch bevor diese Medikamente ihre Wirkung entfalten konnten, kam der zweite Infarkt. „Ich hatte wirklich Angst, dass er sterben könnte“, erinnert sich Mutter Daniela an die harten Stunden. Doch Giovanni schaffte es. Fast fünf Wochen verbrachte er in der Kinderklinik im Klinikum Nürnberg. „Er war sehr tapfer und geduldig. Sogar das lange Stillliegen im MRT hat er ganz ohne Betäubung über sich ergehen lassen“, berichtet die stolze Mama im Nachhinein. Währenddessen lief die Suche nach dem Auslöser der Schlaganfälle auf Hochtouren. Bereits nach der ersten Angiographie keimte ein Verdacht auf: Wolkenartige Strukturen der Blutgefäße in Giovannis Gehirn ließen die äußerst seltene „Moyamoya-Angiopathie“ vermuten. „Bei Moyamoya verengen sich die Hirnarterien, die das Gehirn mit Blut versorgen. Der Körper kompensiert die Engstellen mit neuen, feinen Blutgefäßen, die mittels Angiographie als wolkenartiges Gebilde sichtbar sind“, erklärt Dr. Heußinger die Krankheit. Von dieser besonderen Form kommt auch der Name, „moyamoya“ bedeutet auf Japanisch „Wölkchen“ oder Rauchschwade“. Verschließt sich eine dieser Engstellen, kommt es – wie in Giovannis Fall – zum Schlaganfall. Den Verdacht bestätigte kurz darauf Prof. Dr. Nadia Khan, leitende Ärztin am einzigen Moyamoya-Center Europas am Universitäts-Kinderspital Zürich. Dorthin fuhr die Familie Corteggiano im August, nachdem Giovanni so weit stabilisiert war, um operiert zu werden und so die Engstelle zu beseitigen. „Da die Erkrankung so selten und das Gefäßsystem im Gehirn sehr komplex ist, sind absolute Spezialisten für diese OP erforderlich“, erläutert Dr. Heußinger die Notwendigkeit dieser Reise.

Am 14. August wurde Giovanni erfolgreich operiert – so erfolgreich, dass er schon am nächsten Tag mit seinem Vater im Flur des Krankenhauses Ball spielen konnte. Vorsicht ist natürlich trotzdem angesagt. Fahrrad fahren und Herumtollen gehen erst einmal nicht, und Schläge auf den Kopf darf Giovanni auch keine bekommen. Wenn die Narben verheilt sind, ist das aber wieder möglich.

In den nächsten Jahren wird Zürich noch eine große Rolle im Leben der Corteggianos spielen. Denn leider hatten die Untersuchungen gezeigt, dass neben dem Verschluss auf der rechten Hirnarterie, der für die beiden Schlaganfälle verantwortlich war, bereits Engstellen in der linken Hirnarterie vorhanden sind. Auch die müssen in weiteren Operationen entfernt werden, um weitere Schlaganfälle zu verhindern. Mit den Worten „Mama, für mich ist das kein Problem, ich muss nur schlafen, das macht mir nichts aus“ nimmt der tapfere Junge den Sorgen seiner Mutter die Schärfe. Ist das geglückt, kann Giovanni ein ganz normales Leben führen – nur Tauchen oder Bungee-Springen darf er nicht mehr.

Dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in beiden Kliniken sich so rührend um die Familie kümmern, gibt Daniela Corteggiano die Kraft, die sie zurzeit so dringend braucht. „Wir haben Glück im Unglück gehabt, dass wir vor einem Jahr nach Deutschland gekommen sind. Ich bin mir nicht sicher, ob die Moyamoya-Erkrankung in Italien jemand erkannt hätte“, fasst sie zusammen und schließt ein großes Lob an: „In Nürnberg und in Zürich sind alle, die sich um uns gekümmert haben, zur zweiten Familie geworden.“