Notfallservice
  • Neuer Kurs: Kommunizieren mit Komapatienten

    Koma und Kommunikation: Die internistische Intensivstation des Klinikums Nürnberg und die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus teilen ihre Erfahrungen.

Wenn ein Mensch ins Koma gefallen ist, fragen sich nicht nur Angehörige, wie sie mit ihm Kontakt aufnehmen können. Auch das Personal im Krankenhaus steht bei Komapatienten vor Herausforderungen in der Kommunikation. Fachleute des Klinikums Nürnberg geben Lösungsansätze aus der Praxis in einer neuartigen Fortbildung gemeinsam mit der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus weiter.

Schwerkranke, die aus verschiedenen Gründen im Koma liegen, werden auf der Intensivstation hochfunktional körperlich versorgt. Der Umgang mit ihnen wirft aber zwischenmenschliche und ethische Fragen auf. Was bekommt der Mensch ohne Bewusstsein von seiner Umgebung mit? Wie sollen sich Mitmenschen mit ihm ohne herkömmliche Sprache verständigen?

Mit dem Kurs „Koma und Kommunikation“ wollen Expertinnen und Experten des Klinikums Nürnberg und der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) ihren Erfahrungsschatz weitergeben. Die dreitägige Fortbildung vom 12. bis zum 14. November 2024 im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg richtet sich an Mitarbeitende aus Medizin, Pflege, Therapie und Seelsorge. Einen der Kurstage verbringt die Gruppe gemeinsam auf der internistischen Intensivstation 10/II des Klinikums, um dort bei Übungen Komapatienten zu begegnen.

Täglich 7000 Menschen betroffen

Hier arbeitet seit 2014 Klinikseelsorger Anton Baier. Der Theologe hat den Kurs auf Basis eines
2018 gestarteten klinischen Forschungsprojekts in Nürnberg mitentwickelt. „Mit einer festen Gruppe verschiedener Professionen haben wir 20 Komapatientinnen und -patienten mehrfach über einen Zeitraum besucht und das Erlebte protokolliert. Daraus haben wir ein Kommunikationsmodell entwickelt, ein inzwischen vielfach erprobtes Gerüst.“

Die Gruppe hat auf diese Weise ein sogenanntes Taschenblatt erarbeitet. Das Papier dient Mitarbeitenden und Angehörigen als Handreichung, um besser auf Komapatienten eingehen zu können. „Es geht darum, dem Spüren eine Struktur zu geben“, sagt Baier. Ausgangspunkt sei eine „Haltung der Stille“ beim Gegenüber. Im Schweigen, so Baiers Erfahrung, entstehe Raum für feine Resonanzen. „Wir konnten Menschen, die wir während des Komas so kontaktiert hatten, nach dem Erwachen interviewen. Dabei haben wir abgleichen können, dass sich in unseren Erfahrungen von inneren Bildern etwas vom Komapatienten abbilden kann.“

Der Intensivmediziner Dr. Arnim Geise, bereichsleitender Oberarzt für die internistische Intensivstation am Klinikum Nürnberg, ermöglicht mit seinem Team gern die Forschungsarbeit. „Wir wollen auf unserer Intensivstation mit einem humanitären Ansatz arbeiten. Wir behandeln Menschen mit ihren Familien, nicht Krankheitsbilder und Laborwerte.“

„Es gibt kein An und Aus im Gehirn“

Der Begriff „Koma“ bezeichnet eine schwere Stufe der Bewusstseinsstörung. Im Koma verliert der Mensch Wachheit und Bewusstsein und ist durch Reize von außen nicht zu wecken. Ursache sind schwere Schädel-Hirn-Verletzungen oder Erkrankungen. Nach Angaben der Deutschen Hirnstiftung erleiden in Deutschland jeden Tag 7000 Menschen ein Koma. Bei 350 von ihnen dauert das Koma länger als eine Woche. Das sogenannte künstliche Koma ist dagegen eine Behandlungsmaßnahme. Dabei wird das Bewusstsein gezielt durch eine tiefe Narkose ausgeschaltet.

Die Frage, was genau man im Koma empfindet und wahrnimmt, kann die Medizin nicht eindeutig beantworten, sagt Geise. „Wir wissen nur: Es gibt kein An und Aus im Gehirn. Es gibt einen Graubereich, über den es sich nachzudenken lohnt.“ Auf der Intensivstation des Klinikums werde deshalb, wo immer es geht, mit den Patienten so gesprochen und der nächste Behandlungsschritt angekündigt, als wären sie bei Bewusstsein.

Claudio Ettl, Theologe und stellvertretender Direktor der Akademie CPH, sagt: „Als Teilnehmer des damaligen Forschungsprojekts habe ich die Intensivstation als Ort der Offenheit und Wertschätzung erlebt.“ Das CPH ist deshalb bei der Fortbildung nicht nur als Tagungsort, sondern auch inhaltlich mit seinen Kompetenzen beteiligt. „Die aufgeworfenen Fragestellungen haben letztlich mit der menschlichen Grundfrage zu tun: Wie kann Leben gut gelingen?“, so Ettl. Dies gelte für die Patienten ebenso wie für Angehörige, Pflegekräfte und ärztliches Personal. „Es geht um grundsätzliche ethische Fragen, aber auch um lebensgestaltende Themen bis hin zur Frage nach der persönlichen Spiritualität.“

Hinweis: Auf Wunsch vermitteln wir gerne Interviews zum Thema.

Weitere Informationen zur Fortbildung „Koma und Kommunikation“: www.koma-tiefenwahrnehmung.de, www.cph-nuernberg.de; Anmeldung per E-Mail an akademie@cph-nuernberg.de oder telefonisch unter 0911/2346-145.

Foto: Blick in ein Zimmer der Intensivstation 10/II am Klinikum Nürnberg, als Zeichnung verfremdet.
Quelle: Klinikum Nürnberg